Frau Dr. Dennhart, Sie sind von Haus aus Lebensmittelchemikerin. Wie kommt es, dass Sie
heute in einem Pharmaunternehmen arbeiten?
Im Grunde bin ich schon zur Promotion in eine andere Richtung abgeschweift, in die Bioanalytik.
Dadurch war ich automatisch ein bisschen weg von den Lebensmitteln. Anschließend habe ich mich
dann nach einer neuen Stelle umgeguckt und gesehen, dass viele Pharmaunternehmen auch
Lebensmittelchemiker suchen. Einfach weil wir analytisch ausgebildet sind. Und gerade in dem
Teil der Forschung, in dem ich jetzt bin, in der Analytischen Chemie, braucht man typische
Analytiker.
Was genau analysieren Sie?
Als Lebensmittelchemikerin natürlich alle Lebensmittel, die auf dem Markt sind. Auf jedem
Lebensmittel steht ja drauf, was alles drin ist – wie viel Fett, wieviel Zucker. Der
Lebensmittelchemiker nimmt sich das Lebensmittel und untersucht, ob die Angaben richtig sind. In
einem Pharmaunternehmen ist es das Gleiche: Eine Tablette wird hergestellt und es steht darauf,
dass 400 Milligramm von einem Wirkstoff in der Tablette sind. Dann müssen ja auch wirklich 400
Milligramm enthalten sein, damit der Verbraucher das bekommt, was auf der Packung steht.
Aber es gibt doch sicher Unterschiede zwischen der Analyse von Lebensmitteln und der
Analyse von Arzneimitteln, oder?
Ob ich jetzt einen Orangensaft nehme und ihn untersuche oder eine Tablette auflöse und nach dem
Wirkstoff schaue: Die Techniken, die dahinterstehen, sind im Grunde die gleichen. Nur muss man
natürlich im Bereich Pharma weitere Grundlagen beachten. Da gibt es zum Beispiel bestimmte
Guidelines, auf die man achten muss.
Sie arbeiten im Bereich Forschung und Entwicklung. In welcher Entwicklungsphase sind Sie
beteiligt, wenn ein neues Arzneimittel entwickelt wird?
Es gibt ja zunächst immer einen Wirkstoff. Dieser wird in der Regel von den Kollegen der
Menarini-Gruppe in Italien entwickelt. Dieser Wirkstoff muss dann in einer geeigneten
Formulierung verpackt werden, zum Beispiel in Tablettenform oder in eine Lösung. Das übernimmt
die Abteilung Pharmazeutische Entwicklung bei uns. Die Kollegen überlegen sich eine
Formulierung, und das Medikament wird dann in der Form, in der es getestet werden soll,
hergestellt. Ich bin hierbei nicht nur an einer, sondern an verschiedenen Entwicklungsphasen
beteiligt.
Zum Beispiel?
Das kann die Charakterisierung des vorliegenden Wirkstoffes betreffen, zum Beispiel in Form von
Löslichkeitsstudien oder Wasserbestimmungen. Oder ich untersuche die zunächst gewünschte
Formulierung analytisch, um zu zeigen, wie stabil die Wirkstoffformulierung in unterschiedlichen
Klimazonen ist, und um zu prüfen, ob man mit unerwünschten Abbauprodukten rechnen muss.
Zu diesem Zeitpunkt ist das Medikament noch nicht auf dem Markt, oder?
Nein, ist es noch nicht. Zunächst muss die Formulierungsfindung abgeschlossen sein. Danach gibt
es verschiedene klinische Phasen, also Studien, die ein Medikament durchläuft. Diese betreffen,
neben der Sicherheit des Medikaments, die Dosierungsfindung und natürlich den signifikanten
Wirkungsnachweis. Sind diese erfolgreich verlaufen, beantragt man die Zulassung für das
Medikament bei den zuständigen Behörden, und dann erst käme es auf den Markt. Das ist ein langer
Weg, und leider kann es vorkommen, dass ein Projekt plötzlich gestoppt wird, zum Beispiel wenn
sich zeigt, dass ein Wirkstoff nicht ausreichend wirksam ist.
Gewöhnt man sich daran, dass ein Projekt ganz plötzlich auch wieder beendet sein
kann?
Es ist immer ein kleiner Schlag, weil man so viel Arbeit und Energie hineinsteckt. Zwei, drei
Tage denke ich dann schon: Mensch, schade. Aber das gehört halt dazu. Das ist Forschung und
Entwicklung. Und man treibt ja trotzdem etwas voran. Selbst, wenn die Entwicklung beispielsweise
eines Krebs-Medikaments gestoppt wird, haben wir trotzdem auf diesem Gebiet geforscht und sind
einen Schritt weiter.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag von ihnen aus?
In der Abteilung, in der ich jetzt bin, bin ich noch viel im Labor und kann praktisch arbeiten.
Ich sehe das als meine kleine Nische, die ich hier habe. Was ich von Studienkollegen höre, ist
das woanders kaum möglich. Bei ihnen übernehmen Laboranten die praktische Arbeit, und sie selbst
bekommen dann die Unterlagen und werten sie aus. Ich kann hier selbst auch mit ins Labor. Bei
der Methodenentwicklung ist das natürlich super, weil man nah dran ist und selber schnell noch
etwas verändern kann, wenn man merkt, dass etwas in die falsche Richtung läuft. Das ist hier
richtig toll. Ich bin ja ursprünglich auch gelernte Laborantin und mache das auch gerne.
Wie viel Ihrer Arbeitszeit nimmt die Dokumentation ein?
Ich würde sagen, es sind fast zwei Drittel Dokumentation. Dokumentation ist das A und O. Alles
muss nachvollziehbar sein, was wir hier tun. Was nicht dokumentiert ist, wurde quasi nicht
gemacht. Daran muss man sich gewöhnen, gerade wenn man frisch von der Uni kommt. Ich glaube, bei
meinem Bewerbungsgespräch gab es damals schon die Frage, ob ich denke, dass ich mit der vielen
Dokumentation klarkomme. Das ist einfach nicht jedermanns Sache.
Gibt es ansonsten Eigenschaften oder Fähigkeiten, die für Ihre Arbeit besonders wichtig
sind?
Ganz wichtig ist es, gewissenhaft zu arbeiten. Man muss sich eben zum Beispiel angewöhnen, alles
aufzuschreiben, sofort. Das ist wichtig. Man muss in so einem Beruf außerdem sehr strukturiert
und organisiert sein. Aber wer das nicht ist, würde wahrscheinlich auch ein Studium im Bereich
Analytik gar nicht erst durchziehen.
Sie arbeiten bereits einige Jahre im Unternehmen, haben aber innerhalb der Forschung und
Entwicklung noch einmal die Stelle gewechselt.
Genau. Zuerst hatte ich eine befristete Stelle in der Qualitätskontrolle der Pharmazeutischen
Entwicklung, aber dann wurde in der Abteilung Analytische Chemie eine unbefristete Stelle frei.
Der Abteilungsleiter kannte mich schon aus früherer Zusammenarbeit und fragte, ob ich nicht Lust
hätte zu wechseln, er hätte mich gerne im Team. Na, da war es nicht schwierig zu sagen: Okay,
ich bewerbe mich. Und es hat geklappt. Wobei ich in der Gruppe, in der ich vorher gearbeitet
habe, auch sehr gerne war.
Was ist der größte Unterschied zwischen Ihrem alten und dem neuen Team?
Das erste Team war vom Altersdurchschnitt her jünger. Jetzt bin ich in einer Abteilung, in der
ich zu den Jüngsten gehöre. Aber das ist auch eine tolle Erfahrung, muss ich sagen, weil die
Kollegen so viel Wissen haben. Die gehen an Probleme ganz anders heran. Wenn man noch nicht ganz
so berufserfahren ist, ist man oft gleich so aufgeregt, wenn etwas nicht läuft. Aber die
Kollegen sind da ganz gelassen, weil sie schon so viel erlebt haben und es immer eine Lösung
gab. Das ist echt toll, muss ich sagen. Das ist noch mal ein ganz anderes Arbeiten, und nicht
jeder hat die Chance, das kennenzulernen.
Haben Sie das Gefühl, dass die Kollegen gleichzeitig offen sind für neue Ideen, die Sie
einbringen?
Ja, auf jeden Fall. Als ich kam, sagten sie damals: Ach, da kommt frischer Wind. Außerdem
übernimmt unsere Abteilung häufig Dienstleistungen für die Abteilung, in der ich vorher war. Das
ist gut, weil ich das System und natürlich die Kollegen kenne. Das macht die Dinge
einfacher.
Wie ist generell Ihr Eindruck vom Unternehmen, kennt man sich schnell
untereinander?
Ja, schon. Wobei ich viele dadurch kenne, dass ich hier Volleyball spiele. Die Firma unterstützt
einen Verein in Adlershof, dessen Halle wir dadurch für Betriebssport nutzen dürfen. Und dadurch
kenne ich eben auch aus vielen anderen Abteilungen Kollegen. Und dann gibt es auch noch die
Lauf-Events, an denen ich des Öfteren teilnehme. So kennt man sich auch auf privater Ebene.
Sie haben in München promoviert und sind für Ihre Arbeit nach Berlin gezogen. Was hat
damals letztendlich den Ausschlag für diese Entscheidung gegeben?
Zum einen kannte ich in Berlin schon Leute, weil ich hier studiert habe. Zum anderen muss ich
sagen, dass ich den Bewerbungsprozess hier toll fand. Das ging damals so schnell. Andere große
Unternehmen brauchen immer sehr lange, bis sie sich melden. Bis dahin hatte ich hier schon
längst den Vertrag unterschrieben und eine Wohnung in Berlin gefunden. (lacht)